6. November 1968(Über einen Besuch, den Satprem einer alten französischen Schülerin namens Bharatidi im Krankenhaus von Vellore abgestattet hat, wo sie operiert werden soll. Bharatidi, ein Mitglied der "École Française d'Extrême-Orient" [Französische Schule des Fernen Ostens], ist bekannt für ihren funkelnden Geist, ihr lebhaftes Wesen und ihre beißende Ironie.) Du hast also Bharatidi besucht?
Ja.
Oh, ja. Hast du ihr meine Karte gegeben?
Morgen wird sie operiert.
Ich habe mich gefragt, ob das wirklich unvermeidlich ist. Sie wissen nicht einmal, ob es sich um Krebs handelt.
Nun, sie trifft ihre Anordnungen, sie hat schon all ihr Geld verteilt.
Ja. Wie alt ist sie?
Sie wusste nicht, dass sie dies hatte?
Oh, ja.
Ach?
Ja, sie hat mir durch M eine Botschaft schicken lassen: "Ich habe keine Angst vor dem Sterben, denn ich weiß, dass man nicht stirbt." Das ist sehr gut. (langes Schweigen) Zwischen meinem Mental und dem ihrigen bestand eine seltsame Verbindung ... Wenn ich die Dinge betrachtete und darüber sprach, übernahm ich Bharatidis Tonfall und ihre Art, über die Dinge zu sprechen und sie zu sehen. Ich fragte mich immer, warum das so war, bis ich mir die Sache näher anschaute: in einem früheren Leben waren wir zusammen im selben Körper. Das ist sehr lange her. Es ist wirklich merkwürdig und sehr interessant ... Plötzlich pflegte ich mit ihrer Stimme zu sprechen: der Tonfall, die Worte, alles, war ganz und gar sie. [[Siehe im Addendum einen Brief von Mutter an Bharatidi, der die Art ihrer Beziehung illustriert. ]] Sie hat ein gut entwickeltes Mental, wirklich sehr schön. Bevor sie hierher kam, war sie Buddhistin und Kommunistin - eine sehr überzeugte Kommunistin. [[Bharatidi war eine Kennerin der Pali-Sprache, die von den Buddhisten des Südens verwendet wird, und des Sanskrits. ]] (Schweigen) Sind das militante Protestanten im Krankenhaus?
Oh!
(Schweigen) Diese Protestanten sind schlimmer als die Katholiken. Das lässt mich immer an eine dänische Frau denken (die Mutter Hohlenbergs [[Ein Maler, der ein Standbild von Sri Aurobindo im Profil gesehen malte. ]], die hier war), die zufällig nach Paris kam und die ich eines Morgens bei mir zum Frühstück eingeladen hatte. Wenn du diese Frau gesehen hättest ... Ich weiß nicht mehr, in welchem Zusammenhang, aber die Rede kam auf die Katholiken, und sie wurde dermaßen zornig! Sie schrie: "Diese Götzendiener!..." (Mutter lacht) Schrecklich! Sie sind noch schlimmer ... Ich kenne beide Haltungen, ich habe beide gesehen: die Protestanten sind schlimmer. Sie sind viel ... sie sind hart, sehr hart. Alles Künstlerische am Katholizismus war ihnen suspekt. Sie verwandelten ihn in ...
Ja, genau. Kennst du die Geschichte von diesem "Evangelisten", einem Pastor, der in dem Haus wohnte, wo H jetzt lebt? Natürlich hatte er Kontakte mit dem Aschram, und ich weiß nicht wie, jedenfalls erhielt er einige "messages", die ihn glauben ließen, ich stellte mich als Gott dar - dass ich ein Gott sei -, und das machte ihn rasend. Er schrie: "Aber unser Gott ist wenigstens am Kreuz gestorben, er hat für uns gelitten ..." In der Art. "... Während sie ein bequemes Leben führt ..." Es war schrecklich. "... das hatte wenigstens einen Wert: er litt für uns, und er starb am Kreuz."
Entsetzlich!
Wirklich entsetzlich.
Ja. (Schweigen) Sie sind weniger zahlreich, viel weniger als die Katholiken.
Ja.
Vor langer Zeit stellte ich eine vergleichende Studie an über das, was ich in all den heiligen und religiösen Stätten sah und spürte, und das ist wirklich interessant. In den protestantischen Kirchen beschränkte es sich auf das Mental, es gab nichts anderes - nichts: es war vollkommen trocken. Ein Mental, und nichts dahinter. Bei den Katholiken hing es sehr stark von der jeweiligen Kirche oder Kathedrale ab: je nach Ort war es ganz unterschiedlich. Dann verglich ich dies mit den Heiligtümern der anderen Religionen ... Bei meinen Reisen pflegte ich sie immer zu besuchen - das war hoch interessant. Die buddhistischen Tempel sind SEHR GUT. Offensichtlich nihilistisch, aber immer mit einer sehr konzentrierten Atmosphäre - ungeheuer konzentriert und AUFRICHTIG. Ein aufrichtiges Streben. In den Tempeln hier ... Ach, hier bin ich allen möglichen Dingen begegnet (auch vielen kleinen Teufeln!). Hier war es wirklich sehr interessant ... In einem Tempel bat mich eine Gottheit um meine Hilfe, um Einfluss auf die Leute zu erlangen. Sie sagte mir: "Ich gebe dir alles, was ich habe, und du sorgst dafür, dass ..." (Sie sagte mir das nicht genau mit diesen Worten: ich übertrage). Ich fuhr im Wagen zu ihrem Tempel, und während der Fahrt erschien sie plötzlich im Auto, völlig überraschend. Sie sagte mir: "Komm und hilf mir, meine Macht zu steigern, ich gebe dir dafür alles, was ich habe!..." (Es war im gleichen Tempel, wo man einmal im Jahr Hunderten von Hühnern den Garaus macht.) [[Mutter erzählte diese Geschichte in der Agenda Bd. 2, vom 29. April 1961. ]] Ich sagte ihr: "Nein." Wenn ich diese widerlichen Massaker nur verhindern könnte ...
Ja.
Ja.
Ja. (langes Schweigen) Hat man ihr diese Sprüche ins Zimmer gehängt?
Hat sie sie nicht entfernen lassen?
In ihrem Zimmer.
Und du, als du dort krank warst, hat man dir auch eine Bibel gegeben?
Sie machen Propaganda.
(langes Schweigen) Hast du nichts, keine Arbeit oder sonst was?
An welchem Tag war das?
(Mutter bleibt lange in Schweigen versunken, darauf folgt ein Missverständnis:) Mir missfällt das sehr, sie dort zu spüren.
Was sagst du da?
Macht gar nichts, was hast du über Kali gesagt?
Sie trat aus dem Samadhi aus? Nein, das überrascht mich gar nicht. [[Gold ist die Farbe des Supramentals. ]] Meine Gedanken bezogen sich auf Bharatidi ... sie sollte nicht dort sterben, denn dies ist ein schlechter Ort zum Sterben.
Ja.
Oh, ich wollte die ganze Zeit, dass du dort rauskommst. Nun, ja.
***
(Ein Brief von Mutter an Bharatidi, der ungefähr 1963 geschrieben wurde, in einer Zeit, als Mutter keine Schüler empfing, außer bisweilen jene, die heiraten wollten. Bharatidi, damals 73-jährig, schrieb Mutter, ob sie wohl heiraten müsse, um Anrecht auf ein Gespräch zu erhalten ...)
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